Monday 10 September 2012

Madeira...ein Fortsetzungs-"Roman" (Teil 1)

Nachdem ich die liebe Alice am Frankfurter Flughafen endlich live und in Farbe kennenlernen durfte bevor sie sich auf den Weg nach Madeira in den wohlverdienten Urlaub machte, habe ich nun ein bisschen im Archiv gewuehlt und meinen alten Reisebericht herausgekramt.
Ich warne euch, er ist alt (2006), sehr lang und voellig subjektiv...urspruenglich fuer ein online Reiseforum entstanden, wurde mein Bericht jedoch von einem Madeira Kenner und Forscher entdeckt und vor 3 Jahren in einer portugiesischen Fachzeitschrift ueber eben diese Insel veroeffentlicht.
Bilder kann ich leider nur noch vereinzelt finden...hoffe es gefaellt trotzdem dem ein oder anderen hier :-)


Madeira 8.8. – 15.8. 2006



Dienstag:

Eigentlich begann meine Reise ja schon am Montagabend, als ich mich am Frankfurter Flughafen durch die Schlange des LateNight CheckInns quälte und mir meine werten potentiellen Mitreisenden so ansah. Ich ergang mich ein weiteres mal darin, zu rätseln wie viel IQ man wohl braucht um Bodenpersonal zu werden, aber schwups war ich mein Gepäck los und befreit.

Am nächsten Morgen um 3h klingelte mein Handy Wecker, um 4.45h nahm ich den ersten mir zur Verfügung stehenden Bus und staunte mal wieder wie viel Trubel um diese Zeit gerade am Bahnhof schon herrschte. In der Bahn war ich mal wieder umzingelt von Flughafenmitarbeitern und mein gegenübersitzender Sitznachbar war wohl noch sehr müde. Er gähnte und gähnte nach Herzenslust, zog die Nase hoch, gähnte wieder…hätte ich Waffen im Handgepäck haben dürfen, wäre das ihre erste Anwendungsmöglichkeit gewesen!

Am Flughafen wanderte ich zum Gate, die Kontrolle fand nichts verdächtiges bei mir, so bummelte ich durch den TravelValue Shop. Erneut schwor ich mir bis zum nächsten Mal endlich die Preise bei Douglas mit denen hier zu vergleichen um hier mal mit gutem Gewissen zuschlagen zu können. Aber wieder nichts…und weil sich ja bekanntlich alles wiederholt., hatte ich auch wieder das Päckchen Juicy Tubes Lipgloss in der Hand und rang mit mir ob über 40Euro nicht doch lächerlich viel sind.

Am Gate füllte es sich bereits, so daß schon keine Sitzplätze mehr zur Verfügung standen. Ich schlenderte somit rüber zur Lufthansa, klaute mir dort Tageszeitungen und Kaffee, schnorrte mir bei den Rauchern Feuer und ging meiner liebsten Tätigkeit nach: Dem Beobachten.
Hierzu muß angefügt werden, dass ich mein Lebtag noch nicht Charter geflogen bin und damit diese Erfahrung nun in ihrer vollen Pracht erleben durfte. Ich war wohl in die Baden-Würtemberg-Connection geraten; fast ausschließlich melodisch-bäuerliche „sch“ Laute drangen an mein Ohr. Manche packten ihr „Veschperbrot“ aus, andere spielten Tipp-Kick…das Boarding wurde dann nach den Sitzreihen aufgeteilt, so dass ich mit meiner symbolischen Reihe 13 noch weiter warten musste.

Im Flieger dann meine erste nicht wirkliche Überraschung. Ich schaffte es kaum in die Sitzreihe, so eng war es! Das konnte ja heiter werden! Mein Zeitschriftenfach war zu klein um darin noch FAZ, Bild (man gönnt sich ja sonst nichts*lach) und die „Für Sie“ drin verstauen zu können, mein Rucksack lag in unerreichbarer Position unter dem Vordersitz; wenigstens konnte ich meine Kamera noch in die Hosentasche retten. Es dudelten grausame Videoclips mit nackten Blondinen über die Bildschirme und HapagFly begrüßte uns ganz ganz herzlich.

Ich gebe zu, ich war zu dem Zeitpunkt schon kein ganz neutraler Beobachter der Situation mehr. Pünktlich um 7.05h begann die lange Tour zur Startbahn West und währenddessen hätte ich schon mehrfach in den Klapptisch beißen können (den konnte ich aufgrund der Enge jedoch nicht erreichen). Eine U.S.Airways Maschine wurde von meinen Mitreisenden so kommentiert:„Ei, waschn desch? Isch desch a Militärflugzeusch?“….tiiiiief durchatmen. Der Start schüttete bei mir leider nicht mehr den Adrenalinkick aus wie anfangs, also konzentrierte ich mich voll und ganz auf die gebotene „Airshow“. Bei dem Wort hatte ich mir schon wüste Überlegungen über extra für uns angeheuerte Kunstflugstaffeln gemacht, aber anstelle die Blue Angels vorbeidüsen zu sehen, sah ich das unsere Strecke über Grevennacher(?) führte. Ahhja…ich sog mal wieder jedes noch so unwichtige Detail der Infos auf und verfolgte die Route über Paris, Angers einem mir unbekannten spanischen Ort namens Oviedo und dann ab über den Atlantik. Über Spanien sah ich dann kleine Rauchsäulen aufsteigen die wohl zu den schrecklichen Waldbränden gehörten. Über Paris bekamen wir dann das Frühstück serviert, gleichzeitig die Ansage des Piloten „Wir stoßen nun auf eine Jetstream Wetterlage, es könnte etwas unruhiger werden also bitte bleiben sie angeschnallt“. Guten Appetit!

Ich lass ja nichts umkommen und aß sogar die schinkenähnlichen Dinge und allen Käse. Dazu gab’s 2 Tassen Kaffee und nette Unterhaltungen mit meinen Freiburger Sitznachbarn. Die beiden verbrachten nun zum zweiten Mal ihren Urlaub auf Madeira und waren schon voller Vorfreude. Schon eigenartig, während ich hier sitze und dies schreibe sind diese beiden noch auf der Insel…

Auf jeden Fall gab mein heißgeliebtes Freiburg genügend Gesprächsstoff her um sich locker über den Flug zu retten. In den Pausen schaute ich mir tonlos „Ice Age II“ an (einige Szenen sahen so aus als wären sie wirklich ganz lustig) oder las die immer gleichen Artikel in den Zeitungen, da mir zum Umblättern der Platz fehlte.
Mitten in der Luft traf es mich dann plötzlich wie ein Donnerschlag; es würde passieren, sie würden klatschen nach der Landung. Oh mein Gott, womit hatte ich dies verdient, wie konnte ich das so lange ignorieren!?! Konnte ich vorher noch aussteigen, abspringen? Mich unsichtbar machen, mir die Ohren zuhalten? Was war es plötzlich so verdammt cool sich als Vielflieger auf der Businesstrecke Frankfurt –London auszugeben. Ich gebe zu manchmal ein verdammt arrogantes Arschloch zu sein aber ich stehe dazu und halte mich trotzdem für extrem liebenswürdig*grins.
Es kam wie es kommen musste, nach 3 ½ Std durchbrachen wir wieder die Wolkendecke, warfen erste spektakuläre Blicke auf die felsigen Eilande unter uns und landeten mit einer enormen Rechtskurve. Man muß dazu sagen, dass der Flughafen von Madeira, Santa Cruz, erst vor wenigen Jahren verlängert wurde um es mehr Flugzeugen möglich zu machen zu landen. Vorher benötigten die Piloten ein Extratraining. 1974 gab es auch eine Katastrophe bei der eine Maschine ins Meer stürzte…

Heute fasziniert der kleine, aufgeräumte Flugplatz einfach mit der Start- und Landebahn die zu 50% auf Stelzen ins Meer gebaut wurde. So beginnt wohl „richtiger“ Urlaub…und er beginnt wohl auch mit donnerndem Applaus den ich mit eiserner Stille und tödlichen Blicken quittierte. In den Bildschirmen flimmerte der Ketchup-Song „A he a ha a he a hea…“. Nie mehr Ferienflieger, nie mehr!
Wir spazierten übers Rollfeld ins Terminal das erstaunlich sauber und ordentlich war (ich habe ja bereits erwaehnt arrogant zu sein). Das Gepäck tröpfelte innerhalb der nächsten halben Stunde Koffer für Koffer ein. Dolce far niente oder was auch immer das Portugiesischiche Äquivalent dazu sein mag. Irgendwann stoppte das Band dann ganz und es gab zufälligerweise zeitgleich eine Durchsage an die AirFrance Reisenden nach Paris gerichtet. Eine ganz clevere Dame aus unserem Flieger übersetzte den Inhalt sofort mit „Das restliche Gepäck ist in einer anderen Maschine und wird erst um 11.15h ankommen“…ach wat, und das wird den Deutschen dann auf Französisch erzählt oder wie? In so einem Fall kann ich nur Dieter Nuhr zitieren „Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten“. Nach 5 Minuten war meine Tasche dann auch wohlbehalten aufs Band geknallt und ich ging zum Ausgang.

So etwas mulmig war mir nun doch, die Vermieterin unseres Apartments wollte mich abholen und die ganze Situation mit Schild hochhalten etc. war mir fremd und neu. Ich erblickte sie relativ bald, sie war schon mit einem Ehepaar beschäftigt die ebenfalls bei ihr wohnen sollten und auch in meinem Flugzeug waren. Praktisch! Mir fiel ein Stein vom Herzen, da die Dame mir sofort sympathisch war. Ich wurde herzlich mit viel Berliner Schnauze begrüßt und unser aller Gepäck versank im Kofferraum eines alten stilvollen Monstrums von Benz. Auf ging es in die begrenzten Weiten von Madeira. Die Sonne schien, alles sah fremd und nach Urlaub aus und ich war total aufgekratzt. Wir fuhren zur Autovermietung um den Wagen für das Paar in Empfang zu nehmen und zu klären, dass mein Auto erst heute Abend von meinem Freund abgeholt werden sollte. Jaaa, der Haken war, dass sich Madeira wohl im Autorausch befand und es kein Auto mehr für mich gab…hmm…noch machte ich mir wenig Gedanken, da ich ja eh nicht fahren wollte. Somit wurde das fröhliche Auto Jagen auf den Abend und den Flughafen vertragt und ich wurde bis nach Gaula in unser aller Domizil weiter kutschiert. 




Die
Unterkunft war einfach toll; zwar an einer recht belebten Straße gelegen aber mit Terrasse, Balkon, Bad, Gästeklo, Küche, Schlafzimmer und begehbarem Kleiderschrank, etc…also eigentlich mehr Luxus als zu Hause. Der Supermarkt war auch nur 2 Häuser entfernt und nach einer kurzen Bestandsaufnahme folgte ich meinen Offenburger Nachbarn und deckte mich erstmal mit den nötigsten Dingen wie Wasser, Butter, Nudeln und Wein ein. Ich hatte nun eine Küche also sollte auch gekocht werden. Den doch starken Geruch des Stockfischs versuchte ich zu ignorieren.

Wieder zurück ging ich erstmal duschen um den Reisedreck abzuwaschen und mich wieder fit zu fühlen. Früh war es noch am Tag, mein Freund sollte erst um 20h landen also blieb mir viiiiel zeit für mich. Leider nutzten auch die Dachdecker den Tag um etwas auszubessern und es dröhnte teilweise doch gewaltig. Aber wo sollte ich schon groß hin ohne Sprachkenntnisse und Auto? Ich zappte mich durch die satten 280TV Kanäle, besonders angetan hatte es mir AlJazeera und Stilblüten der Fernsehlandschaft wie Uftu-TV oder Fistfuck-Tv!!! Wahnsinn was einem zu Hause so alles entgeht*lach. Ich blieb bei der „Babystation“ in der ARD hängen und schaute mir Kaiserschnitte und glückliche Eltern an…hochspannend. Als mir bei einer Geburt dann die Tränen kamen, wusste ich es war an der Zeit ins Bett zu gehen. Ich genoß den Ausblick auf den Atlantik und die Umrisse der Desertas Inseln und schaffte es den Prolog von Frank Schätzings Wälzer zu lesen. Ich greife hier schon mal vorweg und gestehe, in den ganzen 7 Tagen nur diese 10 Seiten gelesen zu haben von meinen insgesamt 4 mitgebrachten Büchern*schäm.

Nach einem Schläfchen waren die Dachdecker und ich wieder wach und bei einer Tasse Kaffee schaute ich mir das englische Gegenstück der Supernanny an, „We are family“ etc…fragt mich nicht warum ich nur Schwangerschafts- und Kinderprogramme anschaute. Zufall oder Schicksal? Hilfe!*lach.
So langsam wurde es Abend, ich hörte dem Treiben der Gastgeber neben an zu, rauchte viel zu viel und las erstmal die BILD was ich mich nun ohne Zeugen traute. Als ich dann auch noch das perfekte Dinner und die Renoviershow mit Enie van de Dingsbums gesehen hatte, war es an der Zeit zum Flughafen zu fahren.

Die TAP Homepage war an dem Tag außer Dienst so dass wir ohne Infos bezüglich eventueller Verspätungen los nach Santa Cruz fuhren. Am Flughafen sahen wir dann, dass der Flug sich um 40min verspätete, gut, so blieb mehr Zeit zum Mietwagen organisieren! Es war so eine Situation die man eigentlich nur aus amerikanischen Familienfilmen zur Weihnachtszeit kennt. „Haben sie noch einen Weihnachtsbaum?“ – „(wortloses Kopfschütteln) Da hätten sie mal früher kommen müssen…“. Wir fragten bei Sixt, Europcar, Budget, etc…aber jedes Mal das gleiche. Große charmante Augen die einen traurig anblicken und jede Form von Hoffnung nehmen…was war los? Ich dachte Mietwagen gibt es immer! Unsere Hausherrin versprach sich weiter drum zu kümmern und ich vertraute ihr und ihren Portugiesisch Kenntnissen. Wir tranken einen superleckeren starken Kaffee und rauchten weil man das hier ja noch so gut wie überall darf.

Irgendwann erkannte ich meinen Freund dann auch inmitten von heimkehrenden portugiesischen Familienmitgliedern. Ich übersetzte deutsch/ englisch /deutsch/portugiesisch/? und wir fuhren wieder den Berg hinauf. Schön sah sie nun aus die Insel. Beleuchtet und feierlich glänzend. Außerdem war Vollmond! Und was für einer! Ich erwartete gleich von einem heulenden Werwolf angesprungen zu werden…nach den allgemeinen Wiedersehens-Zeremonien gingen wir ins Bett und ich bewunderte noch einige zeit den silbrig-hypnotischen Lichtschein der sich auf dem Atlantik ausbreitete… 


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